Die StoryWohin mit der Kohle?

40 Milliarden für die Zukunft der Braunkohleregionen. Spätestens 2038 soll das letzte Kohlekraftwerk geschlossen und der letzte Tagebau Geschichte sein.
Begib Dich auf die Spur der Kohlemilliarden. Wo gehen sie hin? Wie werden sie verteilt? Und werden sie richtig investiert?

Aus einer Regenwolke ragen Geldscheine heraus. Aus der Wolke regnet es in ein teilgeflutetes Tagebaurestloch. Durch den Regen füllt sich das Loch weiter.
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Verplant ist auf jeden Fall schon gut die Hälfte: Ende 2022 bereits rund 20,2 Milliarden Euro. Dabei bekommen einige Reviere deutlich mehr vom Kuchen ab als andere. Ob es die sind, die das Geld am nötigsten brauchen, ist fraglich.

Die größten Summen werden in einige wenige Landkreise fließen. Während der Bund fast sein gesamtes Budget schon konkreten Projekten zugedacht hat, haben die Länder bisher nur einen Bruchteil ihres Geldes verteilt, so eine erste Analyse des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen.

Kapitel 2Arbeitsplätze ohneFachkräfte

Vor einem Notebook, einem Mikroskop und mehreren Büchern steht eine Frau mit verschränkten Armen. Sie trägt ein Kleid, auf das mathematische Formeln gedruckt sind. Die Stellen, bei denen ihr Gesicht und Hals sowie ihre Arme sein müssten, sind durch weiße Flächen ersetzt.

Viel Geld – große Wirkung? Die Reviere sollen sich mit den Kohlemilliarden neu erfinden. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft hoffen auf Wirtschaftswachstum und neue, gut bezahlte Arbeitsplätze. Laut Oliver Holtemöller, dem stellvertretenden Präsidenten des IWH, ist allerdings noch nicht abzusehen, ob diese Hoffnungen erfüllt werden. Denn gleichzeitig zeigt sich eine Verstärkung des Fachkräftemangels.

Das Problem des Fachkräftemangels zu lösen, wird in den kommenden Jahren die größte Herausforderung.

Prof. Dr. Oliver
Holtemöller

Mit neuen KiTas und sanierten Schwimmbädern sollen die Regionen attraktiver werden und so Zuwanderung fördern und Abwanderung stoppen.

Die Pläne sind groß: Enorme Investitionen sollen die Wirtschaft ankurbeln und tausende Arbeitsplätze bringen. Aber wie sinnvoll ist das in Regionen, die unter akutem Fachkräftemangel leiden? Besonders die Lausitz ist Wirtschaftsforscher Joachim Ragnitz zufolge stark betroffen. Die Kohlemilliarden und das Geld, das die Projekte in die Region bringen, sieht der Leiter der Dresdner Niederlassung des ifo Instituts als zweischneidiges Schwert: „Das ist an sich auch richtig, mit den gut bezahlten Kohle-Jobs wird nämlich eine Menge Geld verschwinden“, sagt Ragnitz. Mehr Arbeitslose, niedrigere Löhne - in den Braunkohleregionen wird schon jetzt pro Kopf wesentlich weniger erwirtschaftet, als im deutschen Durchschnitt.

Bruttoinlandsprodukt pro Einwohnerin bzw. Einwohner Stand 2021

Wo liegt also das Problem, wenn Unternehmen oder Institutionen mit viel Geld in die Reviere kommen? Ragnitz zufolge könnten diese dem Mittelstand in der Region die Fachkräfte abspenstig machen.

Die Unternehmen, die man sich mit den Fördermaßnahmen in die Region holt, konkurrieren mit dem eingesessenen Mittelstand um das dünner werdende Angebot an Fachkräften. Eine Bundesbehörde zum Beispiel zahlt unter Umständen einfach besser.

Prof. Dr. Joachim
Ragnitz

Die Reviere brauchen also nicht nur Geld, sondern auch Fachkräfte. Das IWH empfiehlt deshalb, Bildungsangebote vor Ort zu verbessern und die Verkehrsinfrastruktur auszubauen, sodass Arbeitsplätze besser erreichbar werden.

Kapitel 3Wer bekommt hiereigentlich was?

Ein Fluss schlängelt sich durch eine mit Auen, Feldern und Wäldern gesäumte Landschaft. Eine Brücke verbindet das eine Ufer mit dem anderen.

Bis 2038 darf der Bund seine 26 Braunkohlemilliarden verteilen. Die anderen 14 Milliarden vergeben die Bundesländer, in denen die Reviere liegen. So sieht es das Strukturstärkungsgesetz vor.

Zusätzlich geht rund eine Milliarde an weitere ehemalige Kohleregionen: Den Landkreis Altenburger Land, das Helmstedter Revier sowie die Standorte der Steinkohlekraftwerke.

Das Geld, das die Länder verteilen dürfen, wird in einzelnen Förderperioden freigegeben. Die erste läuft seit 2020 – bis zum Ende der Periode im Jahr 2026 sollen insgesamt 5,5 Milliarden Euro für den Strukturwandel in den Revieren ausgegeben werden.

Welches Bundesland das größte Stück vom Kuchen bekommt, ist gesetzlich geregelt. Die beteiligten Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen haben das mit dem Bund politisch ausgehandelt. Ergebnis: Den größten Teil der Kohlemilliarden bekommt NRW, den kleinsten Sachsen-Anhalt.

Während der Bund bis Ende 2022 schon 75 Prozent des Geldes, das er bis 2038 verteilen kann, für verschiedene Projekte verplant hat, hinken die Länder hinterher. Von den 5,5 Milliarden, die ihnen bis 2026 zur Verfügung stehen, sind nur etwas mehr als ein Achtel verplant.

Kapitel 4Wofür die Kohlemilliarden ausgegeben werden

Bund und Länder fördern vor allem drei Bereiche:

Damit die Reviere besser erreichbar werden, hat der Bund 24 Prozent seiner bisher verplanten Gelder für Verkehrsprojekte ausgegeben.

Die Länder nehmen sich mit mehr als der Hälfte ihrer bewilligten Fördersummen dem Standortausbau von Betrieben an.

Das meiste Geld bindet derzeit der Bereich Forschung mit rund 6,6 Milliarden.

Wer genauer in die Reviere schaut, erkennt, dass das Geld dort sehr unterschiedlich ausgegeben wird. Und: die größten Summen werden nach aktuellen Zahlen in einige wenige Landkreise fließen.

Damit die Lausitz nach dem Kohleausstieg nicht abgehängt wird, sind dort über 2,64 Milliarden für die Infrastruktur vorgesehen. Der Bund gibt seine Gelder dabei voraussichtlich fast vollständig für den Ausbau des Schienennetzes aus. Größter Nutznießer: der Landkreis Görlitz. Hier kommen drei große Verkehrsprojekte zusammen und binden mit mehr als einer Milliarde Euro rund 19 Prozent der Bundesgelder für Verkehrsprojekte.
Um die Zukunft der Region zu sichern, soll auch Forschung kräftig gefördert werden. Die bislang vorgesehenen rund 2,63 Milliarden gehen unter anderem nach Zittau, wo Wärmespeichersysteme erforscht und entwickelt werden sollen. In Görlitz baut das Fraunhofer Institut ein „Hydrogen Lab“ und die TU Cottbus-Senftenberg soll ein Energieinnovationszentrum bekommen. So soll die Lausitz zum Vorreiter der CO₂-neutralen Energieerzeugung und zum Standort für zukunftsweisende Antriebssysteme werden.

Für diese Vorhaben braucht es Fachkräfte und deshalb fließt ebenfalls Geld in die Bildung, zum Beispiel in den Ausbau von Weiterbildungszentren in Löbau und Weißwasser. Dort will man ehemalige Bergbauarbeiter umschulen und Fachkräfte für die Region ausbilden. Dass diese nach ihrer Ausbildung in der Lausitz bleiben, ist damit jedoch nicht gesichert. Schon jetzt klagen Autohäuser und andere Unternehmen, dass man ihnen die frisch ausgebildeten Mechatroniker abwerbe – allerdings innerhalb der Region.

Auch andere mittelständische Unternehmen verlieren Auszubildende und Mitarbeiter an große Unternehmen wie die Deutsche Bahn, mit deren Löhnen sie schlicht nicht konkurrieren können.

Und der Kampf um Fachkräfte verschärft sich voraussichtlich noch mehr: Denn durch Behördenansiedlungen in strukturschwachen Gebieten, darunter drei geplanten neuen Bundesbehörden in der Lausitz, sollen bis 2028 mindestens 5000 neue Arbeitsplätze entstehen. Für Außenstellen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle sowie der Bundesnetzagentur, den Bau eines Kompetenzzentrums „Elektromagnetische Felder“ und weitere Behörden wurden bisher rund 433 Millionen Euro aus dem Geldtopf des Bundes bewilligt. Damit mehr Menschen in die Lausitz kommen und auch dort bleiben und arbeiten, soll sie attraktiver werden. Das bedeutet Investitionen in Kultur und Gesundheitsversorgung.

Mit mehr KiTas, Schwimmbädern und Arztpraxen will man das demografische Problem in der Lausitz angehen. „Diese Projekte können Teil der Lösung sein, sie allein werden aber nicht reichen, um Menschen in der Region zu halten“, sagt Oliver Holtemöller vom IWH.

Das Mitteldeutsche Revier will zum „internationalen Vorbild für eine erfolgreiche Industrietransformation“ werden. Dafür sind dort 1,91 Milliarden Euro von Bund und Ländern für Projekte im Bereich Forschung eingeplant.
Am Chemieindustrie-Standort Leuna sollen unter anderem ein Dienstleistungs- und Technologiezentrum für zirkuläre Wirtschaft, Bioraffinerien und industrielle Biotechnologie entstehen, in Köllitsch ein Kompetenzzentrum für nachhaltige Landwirtschaft, Fischerei und Klima.
1,46 Milliarden Euro sollen außerdem die Infrastruktur der Region verbessern. Anders als im Lausitzer Revier gehen hier nur etwa 68 Prozent in den Ausbau des Schienennetzes. Denn der Ausbau von Bundesstraßen in Sachsen-Anhalt und die Fertigstellung der Autobahn 72 im Süden Leipzigs kostet einiges an Geld. Durch die Nähe zu den Großstädten Leipzig und Halle hat das Revier Wirtschaftsforscher Ragnitz zufolge kein so großes Fachkräfte-Problem wie die Lausitz. Deshalb soll im Mitteldeutschen Revier bisher deutlich weniger Geld in Bildung fließen. Mit rund 156 Millionen ist es nur knapp ein Viertel der Investitionen im Vergleich zur Lausitz.
Dafür investiert man hier mehr Geld in den Standortausbau, etwa in Querfurt, Etzdorf oder Merseburg. Von den Geldern, die Sachsen-Anhalt bis Ende 2022 aus seinem Fördertopf bewilligt hatte, sollen rund 92 Prozent in diesen Zweck fließen.

Innovativ und zukunftsgerichtet soll sich die Infrastruktur im Rheinischen Revier entwickeln. Deshalb wird dort das meiste Geld investiert: 2,34 Milliarden Euro. Dabei wird fast komplett auf den Schienenverkehr gesetzt – in Aachen soll Bahnfahren mithilfe Künstlicher Intelligenz sogar bald fahrerlos möglich sein.
Auch im Bereich Forschung setzt das Rheinische Revier auf Innovation. Für Modellprojekte zur Herstellung von Grünem Wasserstoff im Industriepark Heinsberg-Oberbruch, die Nutzbarmachung von klimaschädlichem CO₂ in Jülich oder nachhaltige Papierproduktion in Düren wurden bis Ende 2022 rund 2,08 Milliarden Euro bewilligt.
Bildungsprojekte stehen dagegen eher hinten an. Bis Ende 2022 wurden in diesem Bereich nur rund 7 Millionen verplant – 1 Prozent von dem, was in der Lausitz ausgegeben werden soll. Ebenso wenig wurde für den Standortausbau veranschlagt.
Noch drastischer sieht es im Bereich Gesundheit aus: Dafür waren Ende 2022 noch gar keine Mittel bewilligt. Genauso wie für Projekte zum Gemeinwohl, die darauf zielen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken – das sieht allerdings in jedem der Reviere so aus.

Kapitel 5Kohlemilliarden finanzieren auch Umbau derKohleunternehmen

Neben Projekten aus den beschriebenen Bereichen wie zum Beispiel Bildung oder Infrastruktur finanzieren die Kohlemilliarden auch sogenannte „Prozesskosten“. Diese Kosten, die für die Verteilung des Geldes selbst anfallen, sind nicht unerheblich. Bis Ende 2022 kommen so bereits 241,6 Millionen Euro zusammen. Diese Summe verteilt sich recht gleichmäßig auf die Bundesländer, wobei Sachsen-Anhalt bisher den geringsten Kostenaufwand hat.

Dann gibt es da noch den „Just Transition Fund“ (JTF): Darüber gibt es zusätzliche Gelder für Investitionen von der Europäischen Union. Diese gehen an Gebiete, die der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft vor besonders große Herausforderungen stellt. Obwohl es sich dabei um EU-Mittel handelt, wird das Geld zu 85 Prozent auf die Kohlemilliarden angerechnet. Bisher wurden 2,1 Milliarden Euro aus diesem Fonds für die Reviere vorgesehen, unter anderem für die Umstrukturierung der dortigen Energieunternehmen.

Und auch das Bundesprogramm STARK wird auf die Kohlemilliarden angerechnet. Damit wird der Strukturwandel in den Kohleregionen unterstützt. Die Fördermittel sollen aber nicht in zukünftige Projekte fließen, sondern unmittelbar eingesetzt werden. Im Mitteldeutschen Revier wird damit beispielsweise ein „Planungs- und Steuerungsbüro Strukturwandel“ im Landkreis Mansfeld-Südharz finanziert. Bis Ende 2022 wurden im Rahmen von STARK 275,5 Millionen Euro bewilligt.

Kapitel 6So viel Geld habendie Bundesländerbisher ausgegeben

Die Bundesländer kommen mit dem Verteilen der 5,5 Milliarden, die sie bis 2026 in ihren Revieren ausgeben sollen, unterschiedlich gut voran. Besonders Nordrhein-Westfalen hängt bei der Bewilligung der Förderanträge hinterher.

Sachsen-Anhalt ist dagegen Vorreiter. Für das Mitteldeutsche Revier hatte das Land bis Ende 2022 bereits 43 Prozent seines bis 2026 verfügbaren Budgets fest verplant. Aber: Verplant heißt nicht ausgegeben. Die Gelder sind zwar bewilligt und konkreten Projekten zugedacht, tatsächlich abgeflossen sind aber nur 1,9 Prozent der verfügbaren 660 Millionen.

Gleichzeitig existiert ein großer Pool an prinzipiell förderfähigen Projekten. Die sprengen das Budget bis 2026 jedoch um rund 420 Millionen Euro. Das verantwortliche Ministerium in Sachsen-Anhalt teilte auf Anfrage dazu allerdings mit, dass die große Auswahl an förderbaren Projekten eher positiv zu bewerten und wahrscheinlich sogar notwendig sei, um das Budget bis 2026 ausschöpfen zu können. Man werde in der ersten Förderperiode schließlich nicht alle Projekte abschließen und einige würden auch verschoben oder zurückgezogen werden.

Ganz anders sieht es in Nordrhein-Westfalen aus: Das Land hatte bis Ende 2022 kein einziges Projekt bewilligt. Von den rund 2,04 Milliarden Euro, die dem Rheinischen Revier bis 2026 zugedacht sind, waren exakt null Prozent verplant. Dabei waren dort wesentlich weniger Förderanträge zu bearbeiten als etwa für das Lausitzer oder Mitteldeutsche Revier. Nur 41 Projekte warteten Ende 2022 in NRW auf Bewilligung. Selbst wenn all diesen Anträgen komplett stattgegeben würde, wären immer noch etwa 31 Prozent des Budgets übrig. Auf Anfrage teilte die zuständige Behörde in NRW mit, dass großvolumige Projekte, wie sie das Land fördere, viel Vorlauf und Sorgfalt bei der Antragstellung und -bearbeitung bräuchten. Außerdem seien umfangreiche Abstimmungsprozesse zwischen den bewilligenden Stellen nötig. In NRW bremst also vor allem die Bürokratie die Vergabe der Fördergelder.

Auch Sachsen und Brandenburg haben bisher weit weniger Fördergelder bewilligt als Sachsen-Anhalt. Sachsen hat zwar wesentlich mehr Projekten zugestimmt – die binden aber gerade mal 18,3 Prozent des Budgets, das Sachsen für seine Teile des Lausitzer und Mitteldeutschen Reviers bis 2026 zur Verfügung steht. Würde das Land alle bis Ende 2022 angemeldeten Projekte bewilligen, würde es sein Budget mit 96,3 Prozent fast komplett ausschöpfen.

„Dass an manchen Stellen die Bewilligungen so lang auf sich warten lassen, muss aber nicht unbedingt die Schuld der Landesbehörden sein. Es ist genauso denkbar, dass Personalmängel bei den Antragstellern zu Verzögerungen führen", sagt Mirko Titze, der ebenfalls an der IWH-Studie beteiligt war. Besonders kleine Gemeinden seien da benachteiligt.

Nach Einschätzung der IWH-Forscher besteht durch das langsame Vorankommen bei der Bewilligung der Gelder die Gefahr, dass diese dann zu Ablauf der ersten Förderperiode unüberlegt auf Druck investiert werden, nur um sie nicht verfallen zu lassen.

Brandenburg hat noch weniger von seinen Mitteln verplant als Sachsen. Von den rund 1,4 Milliarden Euro, die dem Land bis 2026 für das Lausitzer Revier zur Verfügung stehen, hatte es Ende 2022 nur 11,5 Prozent fest für konkrete Projekte vorgesehen. Würde das Land alle bis Ende 2022 angemeldeten Projekte bewilligen, würde es sein Budget sprengen. Rund 510 Millionen Euro würde Brandenburg dann zusätzlich benötigen.

Über die Vergabe der 14 Milliarden Euro an Ländermitteln wird in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen individuell entschieden. Jedes Land hat seine eigenen zuständigen Behörden und einen eigenen Weg, um über Anträge zu entscheiden. Grundsätzlich gilt in jedem Bundesland: Man reicht eine einfach formulierte Projektidee ein. Dann wird geprüft, ob sie nach den Vorgaben des Strukturstärkungsgesetzes und der Länderrichtlinien förderfähig ist. Wird das bejaht, beginnt ein formaler Antragsprozess, an dessen Ende das Projekt ggf. bewilligt wird. Ist dieser Prozess abgeschlossen, können die Antragsteller auf das Geld zugreifen.

Fazit Bürokratie ab-und Brücken aufbauen

Eine alte, geschwungene Steinbrücke führt über einen See.

Ein bedeutender Anteil der Kohlemilliarden ist also bereits verplant, tatsächlich ausgegeben jedoch nur sehr wenig. Das liegt dem IWH zufolge daran, dass sowohl die Bearbeitung der Förderanträge als auch die Umsetzung der Projekte einige Zeit in Anspruch nehmen. Um zu verhindern, dass das Geld gar nicht oder aus Zugzwang für die falschen Projekte ausgegeben wird, raten Oliver Holtemöller und sein Team vom IWH dazu, die Förderprozesse wenig bürokratisch zu gestalten und gegebenenfalls die Deadlines für die Förderungen zu verlängern.

„Das Wichtigste ist aber, dass die Gelder nicht um jeden Preis ausgegeben werden. Im Zweifel ist es besser, sie verfallen zu lassen und so den Steuerzahler zu entlasten.“

Prof. Dr. Oliver
Holtemöller

Damit die Maßnahmen zur Steigerung des Wirtschaftswachstums in den Kohleregionen überhaupt einen Sinn haben, müssen Zuwanderung gestärkt und Fachkräftemangel angegangen werden. Das wird sich jedoch nur über das Anwerben ausländischer Fachkräfte lösen lassen. Um diese zum Beispiel von der Lausitz zu überzeugen, braucht es Holtemöller zufolge neben einer attraktiveren Infrastruktur vor Ort vor allem eine bessere Willkommenskultur in Deutschland insgesamt. „Die Einstellung der Bevölkerung zur Zuwanderung von Ausländern muss sich bessern, gleichzeitig müssen die bürokratischen Hürden, vor denen Ausländer bei der Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt stehen, abgebaut werden.”

Da bisher nur wenige Projekte begonnen, geschweige denn abgeschlossen wurden, wird es noch dauern, bis die Kohlemilliarden ihre Wirkung entfalten.

Das IWH macht in seinem Bericht klar, dass bei der Vergabe der Fördergelder mehr Transparenz gefragt ist. „Uns wird von den Leuten vor Ort immer wieder gespiegelt, dass sie sich von den politischen Entscheidungsgremien und der öffentlichen Verwaltung nicht richtig mitgenommen fühlen“, sagt Holtemöller. Dabei sei für eine sinnvolle Anwendung der Kohlemilliarden genau das wichtig.

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